Ohne Low-Code keine Prozessdigitalisierung

Sehr viele Unternehmen nutzen bereits mehrere No-Code-/Low-Code-Plattformen. Die Zufriedenheit mit diesen Projekten und der Citizen-Development-Reifegrad lassen aber zu wünschen übrig. [...]

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Die Digitalisierung von Geschäftsprozessen und Workflows hat im Zuge einer Unternehmenstransformation hohe Bedeutung und genießt daher auch hohe Priorität. Mithilfe moderner No-Code- beziehungsweise Low-Code-Plattformen lassen sich die damit verbundenen Aufgaben und Anforderungen effizient bewältigen sowie zügig neue digitale Prozesse und Business-Modelle aufbauen.

Eine No-Code-/Low-Code-Plattform ist nicht genug

Die Unternehmen sind hier offensichtlich auf einem guten Weg. 30 Prozent nutzen zwei, 31 Prozent drei und knapp ein Viertel sogar vier bis fünf No-Code-/Low-Code-Plattformen. Sechs Prozent der Firmen beschränken sich auf den Einsatz einer einzigen Plattform. Die Anzahl der eingesetzten Plattformen hängt unter anderem vom verfügbaren jährlichen IT-Budget ab: 39 Prozent der Unternehmen mit einem Budget von mehr als zehn Millionen Euro an IT-Aufwendungen setzen vier, fünf oder mehr als fünf No-Code-/Low-Code-Plattformen ein, doch nur ein Fünftel der Firmen mit weniger als zehn Millionen Euro.

Über 60 Prozent der Unternehmen nutzen bereits zwei oder mehr No-Code-/Low-Code-Plattformen
Foto: Research Services: Christine Plote

Das ist das zentrale Ergebnis der aktuellen Studie „No-Code/Low-Code 2022“, die CIO, CSO und COMPUTERWOCHE zusammen mit den Partnern Neptune Software, Nintex, Project Management Institute (PMI), ServiceNow, Webcon, Workato, ESCRIBA, SPIRIT/21, PKS und Simplifier realisiert haben. An der Befragung nahmen 605 C-Level-Geschäfts- und IT-Entscheiderinnen und -entscheider, IT-Leitende und Fachbereichsverantwortliche aus Unternehmen unterschiedlichster Branchen, Größen und Umsatzklassen in Deutschland teil.

Werden zwei oder mehrere No-Code- oder Low-Code-Plattformen genutzt, liegt das in der Regel daran, dass sich spezielle Szenarien und Use Cases in der Regel nicht oder unzureichend mit einer einzigen Plattform abdecken lassen. Bevorzugt werden vor allem Plattformen, die auf Geschäftsvorfälle im CRM- (34 Prozent) und ERP-Bereich (31 Prozent) sowie auf die Entwicklung von Dialog- und Portalanwendungen ausgerichtet sind (22 Prozent). Lediglich zehn Prozent setzen auf eine Plattform, die universell einsetzbar ist. Neun von zehn Befragten (89 Prozent) verknüpfen die eingesetzte(n) No-Code-/Low-Code-Plattform(en) und die damit entwickelten Apps und Workflows ganz oder zum Teil mit den vorhandenen IT-Systemen (ERP, CRM, ITSM).

Die Auswahl ihrer No-Code-/Low-Code-Plattform(en) machen drei Viertel der Befragten in erster Linie von drei Kriterien abhängig:

  • Hoheit über eigene Algorithmen und Daten,
  • minimale Herstellerbindung,
  • kein Pay-per-Use-Modell.

Die Entscheidung über ihre Einführung liegt in den meisten Fällen bei den C-Level-IT-Verantwortlichen (51 Prozent) und bei der IT-Leitung (34 Prozent).

Digitalisierung voranbringen, Kosten reduzieren

Mehr als zwei Drittel der Befragten (67 Prozent), die Software per No-Code/Low-Code entwickeln, rechnen in den kommenden drei Jahren mit einer (starken) Zunahme des Einsatzes entsprechender Plattformen. Diese Entwicklung ist konsequent, da die meisten Firmen die Digitalisierung ihrer Prozesse und Workflows voranbringen müssen, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein. Daher überrascht es auch nicht, dass sieben von zehn Befragten den per No-Code/Low-Code erstellten Applikationen zentrale oder eher zentrale Bedeutung zuerkennen. Auffallend ist, dass die Erwartung einer (starken) Zunahme des No-Code-/Low-Code-Einsatzes in den Fachbereichen am geringsten ist, also genau dort wo die „Demokratisierung der Softwareentwicklung“ (Citizen Development) ansetzt.

Wichtigster Grund für den Einsatz einer No-Code-/Low-Code-Plattform sind Kostensenkungen bei der Softwareentwicklung. Dieser Punkt steht bei 40 Prozent der Befragten an erster Stelle. Weitere gewichtige Gründe sind die schnelle Erstellung neuer IT-Lösungen (37 Prozent) und ihre stärkere Ausrichtung an den Business-Anforderungen (36 Prozent). Knapp ein Fünftel der Befragten, die Software per No-Code oder Low-Code entwickeln, versprechen sich davon eine Optimierung der Governance, jeweils 21 Prozent mehr Usability und eine größere Prozesseffizienz.

Auffallend ist, dass bei großen Unternehmen (1000 und mehr Beschäftigte) die Kostensenkungen (47 Prozent) und die schnellere Entwicklung von IT-Lösungen (45 Prozent) besonders im Fokus stehen. Diese Aspekte sind für kleinere Betriebe (weniger als 500 Beschäftigte) mit 39 beziehungsweise 37 Prozent und allen voran für mittelgroße Firmen (500 bis 999 Beschäftigte) mit 35 beziehungsweise 32 Prozent deutlich weniger wichtig. Letztere konzentrieren sich vor allem auf die Entwicklung näher am Business ausgerichteter Lösungen (46 Prozent), anders als große Unternehmen (34 Prozent) und kleinere Betriebe (28 Prozent).

Der wichtigste Grund für die Einführung einer No-Code-Low-Code-Plattform sind Kostensenkungen.
Foto: Research Services: Christine Plote

No-Code-/Low-Code-Projekte noch dünn gesät

Die Studie zeigt aber auch auf, dass die No-Code-/Low-Code-Entwicklung vielerorts ein Mauerblümchendasein fristet. 58 Prozent der Befragten haben in den letzten fünf Jahren lediglich drei bis fünf No-Code-/Low-Code-Projekte umgesetzt, im Schnitt maximal ein Projekt pro Jahr, und 21 Prozent im gleichen Zeitraum sogar nur ein bis zwei solcher Projekte. Die Zurückhaltung könnte damit zusammenhängen, dass Software in vielen Fällen noch mithilfe klassischer Entwicklungsplattformen oder agiler Methoden wie Scrum, Kanban und Extreme Programming erstellt wird.

Ein weiterer Grund für die Zurückhaltung in puncto No-Code/Low-Code könnte darin liegen, dass die Zufriedenheit mit den durchgeführten Projekten ausbaufähig ist. „Sehr zufrieden“ oder „zufrieden“ mit ihren No-Code- oder Low-Code-Projekten und den daraus entstandenen Applikationen sind zwar sechs von zehn Befragten. Doch bei 40 Prozent verliefen die Vorhaben nur „mehr oder weniger zufriedenstellend“ oder „nicht zufriedenstellend“, vor allem bei kleineren Betrieben und in den Fachbereichen. Das heißt: Eine große Minderheit sieht noch Optimierungsbedarf in Bezug auf No- oder Low-Code-Projekte.

Ein bestimmter Prozentsatz der Befragten verzichtet sogar ganz auf den Einsatz von No-Code/Low-Code. Begründet wird dies primär mit der komplexen Einführung und Integration solcher Plattformen (23 Prozent), der ausreichenden Anzahl klassischer Entwickler (22 Prozent) und fehlenden Ressourcen (20 Prozent). 18 Prozent haben zudem keinen Bedarf am No-Code-/Low-Code-Einsatz, weil sie Software nicht selbst entwickeln.

Viel Luft nach oben beim Citizen Development

Großen Nachholbedarf gibt es aber auch beim Reifegrad des Citizen Development. Knapp die Hälfte der Befragten (49 Prozent) verfügen auf einer Skala von 0 bis 5 (0 = nicht vorhanden; 5 = Innovation) über kein Know-how (Stufe 0; vier Prozent), über geringe Erfahrung (Stufe 1; 19 Prozent) oder führen bislang lediglich Pilotprojekte durch (Stufe 2; 26 Prozent).

Nur acht Prozent sind der Ansicht, den höchsten Reifegrad (Stufe 5 – Innovation) erreicht zu haben und 21 Prozent den zweithöchsten (Stufe 4 – Skalierung). Dabei fällt auf, dass C-Level- Businessverantwortliche den Citizen-Development-Reifegrad im Gegensatz zu den anderen Funktionsträgern (C-Level-IT-Entscheider, IT-Leitung, Fachbereiche) extrem optimistisch beurteilen. Knapp ein Fünftel (24 Prozent) ordnen ihr Unternehmen auf der höchsten Stufe ein, 35 Prozent auf der zweithöchsten Stufe.

Doch Achtung: Die Demokratisierung der Softwareentwicklung, etwa durch Citizen Development, hat nicht nur positive Seiten, sondern weckt bei vielen Unternehmen die Angst vor einer neuen Schatten-IT mit allen damit verbundenen Nachteilen. Immerhin 59 Prozent der Befragten äußern entsprechende Befürchtungen.

Bei dem Reifegrad des Citizen Development gibt es großen Nachholbedarf.
Foto: Research Services: Christine Plote

No-Code/Low-Code schiebt Change-Prozesse an

Die Studie fördert darüber hinaus weitere aufschlussreiche Ergebnisse zutage, speziell in Bezug auf Citizen Development. Drei Viertel der Befragten, bei denen Citizen Developer mit einer No-Code-/Low-Code-Plattform arbeiten, übertragen ihnen „grundsätzlich“ (35 Prozent) oder „in der Regel“ (40 Prozent) die Rolle des Product Owner. Am weitesten verbreitet ist diese Praxis in mittelgroßen Firmen (500 bis 999 Beschäftigte). Dort sind in neun von zehn Fällen Laienentwickler aus dem Fachbereich „grundsätzlich“ oder „in der Regel“ auch Product Owner.

Die Vermittlung von Citizen-Development-Know-how an die Beschäftigten erfolgt vorzugsweise mithilfe unabhängiger und anerkannter Best Practices und Methoden (56 Prozent) sowie in Schulungen durch Technologielieferanten oder durch die interne IT (53 Prozent). Ausgebildet werden die „Laienentwickler“ hauptsächlich per Live-Onlinetraining (57 Prozent) und Trainingsvideos (45 Prozent), weniger häufig nach dem Learning-by-Doing-Ansatz (39 Prozent). Übrigens setzen 31 Prozent der Befragten die Teilnahme an einer Schulung voraus, damit Beschäftigte als Citizen Developer im eigenen Unternehmen tätig sein dürfen.

Besonders interessant ist, dass No-Code-/Low-Code-Plattformen nicht nur als weiteres Tool zur Softwareentwicklung, sondern auch als „Enabler“ für Change-Prozesse gesehen werden. Immerhin 43 Prozent der Befragten sind überzeugt, dass der No-Code/Low-Code-Einsatz die IT-Abteilung näher an die Fachbereiche heranrückt und die Transformation der IT zur Business-Technology-Organisation in Gang setzt. Das ist gerade im Hinblick auf das IT-Business-Alignment und die Etablierung moderner Methoden wie DevOps von Vorteil.

*Dr. Andreas Schaffry ist freiberuflicher IT-Fachjournalist und von 2006 bis 2015 für die CIO.de-Redaktion tätig. Die inhaltlichen Schwerpunkte seiner Berichterstattung liegen in den Bereichen ERP, Business Intelligence, CRM und SCM mit Schwerpunkt auf SAP und in der Darstellung aktueller IT-Trends wie SaaS, Cloud Computing oder Enterprise Mobility.


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