Umfrage unter Experten für Enterprise Resource Planning Krise: ERP-Anbieter sehen keine Beeinträchtigung für den Channel

Von Dr. Dietmar Müller 6 min Lesedauer

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Deutschland wird von wirtschaftlichen Stürmen aller Art durchgerüttelt. Wir haben und bei den führenden Experten für das Enterprise Resource Planning (ERP) umgehört, was Inflation, Preissteigerungen und schwache Lieferketten mit dem Channel anstellen.

Deutschland wird von wirtschaftlichen Stürmen aller Art durchgerüttelt – welche Folgen hat das für das Partnergeschäft der Softwareanbieter?
Deutschland wird von wirtschaftlichen Stürmen aller Art durchgerüttelt – welche Folgen hat das für das Partnergeschäft der Softwareanbieter?
(Bild: gemeinfrei, Claire05 / Pixabay)

Inflation, Preisexplosion, Rezession – das sind die Parameter der aktuellen Krise, befeuert durch diverse Faktoren, über die an anderer Stelle schon viel geschrieben wird. Wir haben bei den Verantwortlichen führender ERP-Anbieter nachgefragt, wie sich die aktuelle Krise auf das Partnergeschäft auswirkt.

SAP sieht sich bereits über den Berg

Beginnen wir mit dem Platzhirsch. Christian Mehrtens, SVP Geschäftsbereich Partner, ist Mitglied der Geschäftsleitung von SAP und klärt für uns zunächst die Lage: „Es sieht so aus, als hätten wir den Gipfel der Inflation überschritten, auch wenn wir noch lange nicht da sind, wo die EZB oder die Verbraucher gerne wären. Zumindest auf eine moderate Rezession werden wir uns aber in den nächsten Monaten einstellen müssen. Der BDI hat bereits von einer ‚roten Null‘ gesprochen und erwartet einen Rückgang der Wirtschaftsleistung.“

So weit, so bekannt. Wie wirkt sich dies alles auf das Geschäft im Channel aus? „Die Partner der SAP trotzen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“, so Mehrtens trocken, und schiebt nach: „Das zeigt ein neues, von der SAP in Auftrag gegebenes E-Book von IDC“. Demnach gehen nahezu alle SAP-Partner, genau genommen 93 Prozent, davon aus, dass sie ihre Umsätze im Vergleich zum Vorjahr deutlich steigern werden.

„Warum das so ist, hat IDC vorgerechnet: Für jeden Dollar, den SAP verdient, nehmen unsere Partner, die eigene Dienstleistungen entwickeln und anbieten, zehn Dollar ein. Die größten Wachstumschancen erwarten sie in den Bereichen IT-Services und Public-Cloud-Services. Laut IDC stammen 43 Prozent der Partnerumsätze von branchenspezifischen Lösungen. Ihre Kunden wissen, dass sie sich digitalisieren müssen, um sich neue Geschäftschancen zu eröffnen. Dazu fragen sie Software-as-a-Service-, Platform-as-a-Service- und Infrastructure-as-a-Service-Angebote nach – und sie wenden sich damit an unsere Partner“, erläutert der Channel-Verantwortliche.

Christian Mehrtens, SVP Geschäftsbereich Partner, Mitglied der Geschäftsleitung SAP
Christian Mehrtens, SVP Geschäftsbereich Partner, Mitglied der Geschäftsleitung SAP
(Bild: SAP)

Die Partner könnten ihre Kunden mit einer stärkeren Automatisierung gegen Krisen aller Art wappnen, und das gelte nicht nur für Rezession und Inflation: „Die digitalen Entwicklungen machen Lieferketten widerstandsfähiger und sind ein wichtiges Instrument, um die Folgen des Fachkräftemangels abzumildern.“

Asseco will kleineren Partnern helfen

Auch Ralf Bachthaler, Vorstand der Asseco Solutions, sieht keinen Grund zur Panik. Grundsätzlich wirke sich die Krise, wenn überhaupt, auf das Neugeschäft aus, denn: „Interessenten sind verunsichert, ob der jetzige Zeitpunkt der richtige ist für ein Projekt dieser Größenordnung – gerade auch in Bezug auf die anhaltende Inflation und – damit verbunden – die schwieriger gewordene Finanzierung. Dies betrifft das Direktgeschäft in gleichem Maße wie das Partnergeschäft“, so Bachthaler.

Er berichtet weiter: „Auf der anderen Seite haben viele Unternehmen nicht zuletzt durch die Einschränkungen der Pandemie festgestellt, wie wichtig ein modernes ERP-System sowie die Digitalisierung ihrer Prozesse generell ist. Daher sehen wir vor allem im Mittelstand weiterhin eine hohe Nachfrage und Investitionsbereitschaft. Tatsächlich nutzen auch viele Bestandskunden die aktuelle Phase, um zielgerichtet weitere Abläufe mit ERP-Unterstützung zu optimieren und gegebenenfalls sogar zu automatisieren. Hiervon profitieren wiederum die betreuenden Partner ebenso wie wir als Hersteller.“

Ralf Bachthaler, Vorstand der Asseco Solutions
Ralf Bachthaler, Vorstand der Asseco Solutions
(Bild: Asseco Solutions)

Sowohl für die Bestandskunden als auch und nicht zuletzt für Neukunden sei in der derzeitigen Situation das Thema Investitionssicherheit zu einem entscheidenden Faktor geworden: „Unternehmen achten viel stärker auf die Größe und die Strategie des Unternehmens, mit dem sie zur ERP-Einführung zusammenarbeiten, als dies in der Vergangenheit der Fall gewesen war. Dies führt nicht selten dazu, dass gerade kleinere Partner vermehrt das Nachsehen haben. Gerade sie brauchen daher einen finanziell und personell starken ERP-Hersteller im Rücken, um eventuelle Bedenken hinsichtlich Investitionssicherheit im Idealfall erst gar nicht aufkommen zu lassen.“

Infor kennt keine Krise, nur Vertrauen

Abgeklärt zeigt sich Dr. Ullrich Klöckner, Channel Management Central Europe bei Infor: „Trotz der aktuellen Situation – und auch schon seit Beginn der Pandemie – haben wir keinen negativen Effekt auf unser Partnergeschäft im DACH-Raum festgestellt. Ganz im Gegenteil: Aufgrund der unsicheren Zeiten ist unseren Kunden und Partnern immer bewusster geworden, wie wichtig Vertrauen ist. Die Pandemie, der Krieg in der Ukraine sowie die anhaltenden Lieferschwierigkeiten verstärkten die Beziehungen zu unseren Partnern – wir konnten bestehende Bindungen ausbauen, da sowohl unsere Partner als auch Kunden großes Vertrauen in uns haben. Daraus resultiert, dass die Kunden sich bei der Planung von Neuimplementierungen direkt bei unseren Partnern nach passenden Lösungen erkundigen.“ Kurz: Das Partnergeschäft boome, was nicht zuletzt an der Güte der branchenspezifischen Multi-Tenant-Cloud von Infor liege.

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Dr. Ullrich Klöckner, Channel Management Central Europe bei Infor
Dr. Ullrich Klöckner, Channel Management Central Europe bei Infor
(Bild: Infor)

Sage will den Motor der Erholung starten

Sage sieht ebenfalls keinen Grund zur Klage: „Wir sehen unser Partnergeschäft durch die aktuelle Krise nicht beeinträchtigt. Im Gegenteil“, so Björn Urban, Director Channel Central Europe bei Sage. Das habe einen eindeutigen Grund: Der Mittelstand sei eine unerschütterliche Bank und geize nicht mit Investitionen in Software, das belege auch eine frische, in Zusammenarbeit mit dem Centre for Economics and Business Research aus London herausgebrachte Studie zur Frage, wie sich die Lage bei kleinen und mittleren Unternehmen in den kommenden Jahren bis 2025 entwickeln werde.

„Zentrales Ergebnis der Untersuchung, für die auch deutsche KMUs befragt wurden, ist, dass vor allem der Mittelstand der zentrale Motor der wirtschaftlichen Erholung sein wird. Und dafür werden Betriebe dieser Größe auch investieren – zum Beispiel in moderne IT-Infrastrukturen. Nicht nur, um das eigene Business schnell skalieren zu können, sondern auch, um hinsichtlich anfallender Kosten so flexibel wie möglich sein zu können“, so Urban.

Im Kern gehe es darum, etwa bei Software nur für die Funktionen und Services zu bezahlen, die man auch wirklich brauche. „Systeme mit entsprechenden Services und modularem Aufbau, die derartige Kostenflexibilität ermöglichen, hat Sage im Portfolio. Und gerade die Nachfrage diesbezüglich seitens kleinerer und mittlerer Unternehmen, spüren wir und unsere Partner – trotz Krise – sehr wohl.“

Björn Urban, Director Channel Central Europe bei Sage
Björn Urban, Director Channel Central Europe bei Sage
(Bild: Sage)

Krise zeigt sich im ERP-Umfeld deutlicher

So sehr die ERP-Schwergewichte eine Krise leugnen – sie ist real. Vertreter anderer Branchen, die wir befragt haben, berichten von teils schweren Einschränkungen und großen Herausforderungen. Im Umfeld des ERP lassen diese sich leicht finden. Monday.com etwa offeriert mit Work OS eine Low-Code-Plattform, mit der Unternehmen Software-Anwendungen erstellen und das jeweilige ERP anpassen können. Der Channel Partner Manager David dela Cruz nimmt kein Blatt vor den Mund: „Die aktuelle Wirtschaftskrise wirkt sich auf viele Branchen und Geschäftsfelder aus und so bilden auch unsere Partneraktivitäten keine Ausnahme. Sowohl unsere Kunden als auch die Kunden unserer Partner streben Budgetkürzungen an und entscheiden dementsprechend vorsichtiger über IT-Ausgaben und die Implementierung bestimmter Anwendungen.“

David dela Cruz, Channel Partner Manager bei Monday.com
David dela Cruz, Channel Partner Manager bei Monday.com
(Bild: Monday.com)

„Diese Zeiten sind eine echte Herausforderung für unsere Partner, unabhängig von ihrer Erfahrung und ihrem Fachwissen. Deshalb bieten wir ihnen verstärkt Unterstützung und Beratung an, wie sie in schwierigen Zeiten trotzdem ihre Ziele erreichen und Fortschritte erzielen können. So haben wir zum Beispiel aktuell gut anwendbare Vertriebsstrategien entwickelt und mit ihnen geteilt sowie eine Kampagne rund um das Thema Software Tool Konsolidierung gestartet, um multifunktionalen Tools den Vorzug zu geben.“

Auch Webcon hat die Verbesserung von Workflows im Sinn und ist daher beständig im ERP-Umfeld im Einsatz. Der Partner Account Manager Philipp Erdkönig will die aktuellen Probleme nicht in Abrede stellen, sieht aber in erster Linie die sich daraus ergebenden Chancen: „Allgemein gilt ja, dass jede Rezession und jeder Konjunkturrückgang Unternehmen dazu zwingt, aus ihrer Komfortzone herauszukommen, in die sie sich natürlich gerne begeben, wenn das Geschäft gut läuft. Wenn das Wachstum aber infrage steht, fangen Unternehmen an, der Senkung der Betriebskosten und der Optimierung der Geschäftsprozesse höhere Priorität einzuräumen: Oft kommen dann neue IT-Projekte ins Spiel. Daher ist ein bedeutender Teil der IT-Branche gegenüber verschiedenen Arten von wirtschaftlicher Unsicherheit meist widerstandsfähiger als andere.“

Philipp Erdkönig, Partner Account Manager bei Webcon
Philipp Erdkönig, Partner Account Manager bei Webcon
(Bild: Webcon)

Erdkönig sieht die Webcon-Partner in einer guten Situation, „um die aktuelle Krise nicht nur zu meistern, sondern selbst in schwierigeren Zeiten neue Chancen ergreifen zu können.“ Dies sei der Qualität der hauseigenen Plattform geschuldet: „Entsprechend stellen wir fest, dass unsere Partner derzeit sehr stark Ressourcen aufbauen, die mit unserer Business-Process-Automation- & Management-Plattform arbeiten. Dieser gestiegene Personalbedarf entsteht einerseits durch das rasant steigende Neukundengeschäft, zum anderen aber auch durch die kontinuierlich hohe Nachfrage nach neuen Digitalisierungsprojekten bei Bestandskunden. Für unsere Partner bedeutet das eine verlässliche Auslastung selbst in wirtschaftlich turbulenten Zeiten.“

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